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Erscheinungsdatum: 20. Oktober 2014
Genre: Modern Metal
Ich versuche schon seit langer Zeit zu verstehen, warum Amaranthe eigentlich so erfolgreich sind. Es kann nicht nur die Tatsache sein, dass Sängerin Elize Ryd die Fans wie ein Magnet durch ihre Stimme, ihr Aussehen und ihre unglaublich liebe Art anzieht. (Ich glaube kaum, dass es eine andere Sängerin im Metal gibt, die so viel Liebe ihren Fans gegenüber ausstrahlt.)
Es steckt weit mehr in dieser Band, als es auf den ersten Blick hin erscheint, und das wird mir mit "Massive Addictive" nach jedem erneuten Durchgang immer klarer. Es ist eine regelrechte Kunst, sich in einem Genre wie Modern Metal immer weiter zu entwickeln. Ich habe mir einige Modern Metal Bands angehört und Amaranthe sind nach wie vor die einzige, die mich hundertprozentig überzeugt, und das selbst nach tagelangen Dauerschleifen. (Ich mache keine Witze.) Das hat einen Grund.
Mittlerweile befinden wir uns bei Album Nummer drei. Ich halte eigentlich eher wenig von der Theorie, dass das dritte Album das wichtigste für eine Band ist, um sich langfristig zu etablieren. Paradebeispiel HIM: Ihr drittes Album "Deep Shadows And Brilliant Highlights" ist ihr schwächstes Album und trotzdem sind HIM mittlerweile ganz oben in der Metal-Szene gelandet. Vor allem bei Amaranthe durfte man aber dennoch gespannt, was sie sich einfallen lassen würden, um ihre Fans aufs Neue zu überraschen.
Das Konzept des Vorgängers "The Nexus" scheinen die Schweden beibehalten zu haben, alles dreht sich wieder um digitale Welten und das Leben in der Zukunft, aber auch persönliche Themen haben ihren Platz auf diesem Album gefunden. Aber bloß, dass wir uns verstehen, Amaranthe haben mit "Massive Addictive" das wohl eigenartigste Album der letzten Jahre kreiert, viel Ähnlichkeit zu "The Nexus" gibt es nicht, und es war auch von Anfang an klar, dass etwas Extremes auf uns zukommen würde. Dabei bleibt aber niemals die Virtuosität auf der Strecke. Man muss durchaus öfter hinhören, und irgendwann ordnen sich die Songs von alleine. Ich selbst habe unzählige Durchgänge gebraucht, um das alles zu verstehen, was ich euch werten Lesern zu verstehen geben möchte. Ab einem gewissen Punkt hört man Strukturen, die oft relativ progressiv sind. Drummer Morten Lowe Sorensen zeigt auch auf diesem Album sein Können, was Rhythmik angeht. Neben Ariën van Weesenbeek von Epica ist er sicherlich einer der ganz Großen unter den Drummern unserer Zeit.
Einer der Vorzüge Amaranthes sind ganz klar die Sänger. Elize Ryd klingt auf "Massive Addictive" sehr energiegeladen, kraftvoll und gleichzeitig glasklar. Von so vielen als einfache Popsängerin abgestempelt (ich pflege zwar zu sagen, Elize Ryd sei die Céline Dion des Metal, aber als großes Kompliment gemeint) scheint Elize immer weiter Gas zu geben und ihren Stil auszubauen. Als Koloratursopran ist sie extrem flexibel in hohen Lagen und ihre Stimme scheint einfach keine Grenzen zu haben. (Ihre Lungen übrigens auch nicht) Große Intervalle sind für sie kein Problem, genauso wie Belting bis fast zum Sopran-C. Ihr Kopfstimmregister setzt sie nicht sehr viel ein, allerhöchstens als Background-Gesang und auf der Ballade "Over And Done". Das kommt dann sicher noch auf dem nächsten Album und ich traue dieser Frau ganz ehrlich zu, noch höher singen zu können, wenn sie erst einmal klassisch loslegt. Das kann sie auch noch. Und Achtung, obwohl Elize' Stimme im Studio stark bearbeitet wird (gehört ja schließlich zum Gesamtbild der Band), trifft diese unglaubliche Sängerin jeden einzelnen Ton auch live (und auf halsbrecherischen High Heels ...) und bringt die gleiche, wenn nicht mehr Power auf. Brauche ich noch zu erklären, warum ich morden würde, um ihre Stimme zu haben?
Jake E ist nicht mehr sehr viel zu hören, und es scheint fast so, als ob die Band einfach ohne ihn weitermachen würde, aber das ist nicht so. Er ist neben Gitarrist Olof Mörck nach wie vor Songwriter und ein wunderbarer Texter und gefühlvoller Sänger. Es gibt keine Amaranthe-Ballade ohne Jake E, und es gibt auch kein Amaranthe ohne ihren Ruhepol, denn genau die ruhigeren Momente geben dem Ganzen etwas Griffiges.
Neuzugang Henrik Englund Wilhemsson (Scarpoint) hat sich schon am Anfang dieses Jahres auf Tour etablieren können. Für mich ist dieser gutturale Sänger die Stimme der Wut und gleichzeitig ist er technisch gesehen sehr detailverliebt, legt seine Seele in jedes einzelne Wort, das er schreit, und ist endlich mal ein Growler, bei dem man richtige, zusammenhängende Worte und Sätze versteht, ohne die Songtexte mitlesen zu müssen. Ich glaube kaum, dass Amaranthe einen Besseren hätten finden können, und ich war auch gar nicht traurig, als ich erfuhr, dass Gründungssänger Andreas Solveström die Band deswegen verlassen würde ...
Meine größte Sorge war, dass Amaranthe nicht hundert Prozent geben und einfach alles mit Elektro füllen würden. Die stark eingesetzten elektronischen Elemente klingen aber keine Sekunde lang aus der Luft gegriffen. Sie scheinen vom Arrangement und Stil her sehr an den Metal und an Rhythmus und Riffs angepasst worden zu sein, und das haben Amaranthe in dieser Art und Weise noch nicht geschafft.
Ein Song, der genau diesen Aspekt widerspiegelt, ist das titelgebende Stück "Massive Addictive", einer der besten Songs, den die Schweden jemals veröffentlicht haben. Er scheint genau das Gegenteil von dem zu sein, was man erwarten würde. Amaranthe haben einen Gang zurückgeschaltet, was Tempo angeht, und überzeugen dadurch umso mehr durch Intensität. Gleichzeitig ist die Melodie extrem ansteckend, obwohl sie recht geradlinig ist, und die Stimmung ist durch bewusst eingesetzte Dissonanzen und kraftvolle und doch klare Growls fast psychedelisch. Die Wirkung dieses Songs auf den Hörer ist massiv. Dieser Song ist nur eins von vielen Beispielen.
Ja, ich habe meine Ansprüche, was Metal angeht. Und ja, ich habe sehr hohe Anprüche, was meine Lieblingsbands angeht. Es ist doch umso schöner, wenn diese all dem gerecht werden, und Herrgott nochmal, Amaranthe werden meinen Anprüchen und sicher auch den Anprüchen von ganz vielen anderen mehr als gerecht.
"Massive Addictive" hat sich außerdem als der perfekte Begleiter in jeder Lebenssituation erwiesen. "Dynamite", "Drop Dead Cynical" und "Massive Addictive" pushen mich zu höchster Motivation (Ich empfehle allen Läufern, diese Songs auf ihre Trainigsplaylist zu spielen, das wirkt!), "Over And Done" und "True" laden mit wunderschönen, herzzerreißenden Melodien zum Träumen ein, während "Danger Zone", "Digital World" und "Unreal" ganz locker in jeder Diskothek gespielt werden könnten. Vor allem "Danger Zone" ist ein sehr extremer Song, der vom brutalen Melodic Death Metal-Song zur regelrechten Disko-Hymne mutiert.
Kritiker, die absolut gegen Amaranthe sind, würden diese Band wohl als Virus bezeichnen, der sich mit Lichtgeschwindigkeit vermehrt und immer mehr Leute auf der Welt befällt. Ups, dann bin ich anscheinend befallen. Und wisst ihr was? Diese Leute sollten aufwachen und einsehen, dass Amaranthe nicht zu stoppen sind. Herzlichen Glückwunsch, ihr Schweinehunde. Ihr habt es geschafft, dass ich mich zum dritten Mal Hals über Kopf in diese Band verliebt habe und nur darauf warte, meine Freundinnen wieder zum Konzert zu schleppen und einen Mordsspaß zu haben. Zum Abschluss kann ich nur wieder Amaranthe zitieren: "Don't you know I'm addicted?"
Highlights: Dynamite, Massive Addictive, Danger Zone, Unreal
Wertung: 9/10
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